Wenn Eltern sich trennen, führt dies nicht nur zu grossen Veränderungen für die persönlichen Beziehungen unter den Familienmitgliedern, sondern die Trennung hat in den meisten Fällen auch erhebliche Auswirkungen finanzieller Natur.
Nach der Geburt eines Kindes entscheiden sich viele Eltern dafür, dass ein Elternteil einer auswärtigen Arbeit nachgeht, während der andere Elternteil sich um die Betreuung und Pflege der Kinder kümmert. Solange nur ein Haushalt zu finanzieren war, reichte das Geld aus der Erwerbstätigkeit eines Elternteils auch oftmals aus, um den finanziellen Bedürfnissen von allen Familienmitgliedern gerecht zu werden.
Durch die Trennung sind nun plötzlich zwei Haushalte zu finanzieren und es zeigt sich in vielen Fällen, dass die verfügbaren finanziellen Ressourcen dafür nicht ausreichen.
Bei dem oben beschriebenen klassischen Betreuungsmodell entsteht aus dieser Situation häufig ein Streit darum, ob, ab wann und wie häufig der betreuende Elternteil selber einer auswärtigen Erwerbstätigkeit nachgehen muss.
Mit Urteil vom 21. September 2018 hat das Bundesgericht nun einen wegweisenden Entscheid gefällt, der wieder das notwendige Mass an Rechtssicherheit bringt (BGer 5 A384/2018)
Das Bundesgericht geht in seinem Urteil davon aus, dass mit der obligatorischen Einschulung eines Kindes (in der Mehrheit der Kantone der Kindergarten-, in verschiedenen aber auch der eigentliche Schuleintritt) der betreuende Elternteil in erheblichem Umfang von der persönlichen Betreuung entbunden wird. Eine weitere Entlastung sieht das Bundesgericht beim Übertritt des Kindes in die Sekundarstufe I und ab dem 16. Lebensjahr des Kindes.
Aufgrund dieser Überlegungen kommt das Bundesgericht zum Schluss, dass für den betreuenden Elternteil – im Normalfall – folgende Erwerbstätigkeit zumutbar ist:
Eintritt in den Kindergarten (Schuleintritt in einigen Kantonen): 50%
Übertritt in die Sekundarstufe I: 80%
Vollendung des 16. Lebensjahres: 100%
Wie auch das Bundesgericht betont, kann diese Regel aber nicht etwa unbesehen auf jeden Fall angewendet werden, sondern es muss nach wie vor der Einzelfall berücksichtigt werden. Das Bundesgericht erwähnt das Vorhandensein von Drittbetreuungsangeboten (z.B. Mittagstisch, Nachmittagsbetreuung, Betreuung in Randzeiten etc.), welche eine Erwerbstätigkeit überhaupt zulassen. Ausserdem bilden immer auch die tatsächlichen Erwerbsmöglichkeiten des betreuenden Elternteils eine wichtige Rolle (Alter, Gesundheit, Ausbildung, Arbeitsmarktlage etc.). Zuletzt kann z.B. auch durch eine Behinderung eines Kindes eine erhöhte Betreuungslast entstehen, welche einer strikten Anwendung der oben dargelegten Richtlinien entgegensteht.
Die bisherige höchstgerichtliche Rechtsprechung hat in diesem Zusammenhang die sogenannte 10/16-Regel etabliert. Diese besagte, dass der betreuende Elternteil bis zum Zeitpunkt, bei dem das jüngste Kind 10 Jahre alt ist, keiner auswärtigen Erwerbstätigkeit nachgehen muss. Ab dem 10. Lebensjahr des jüngsten Kindes wurde verlangt, dass der betreuende Elternteil eine 50%ige berufliche Tätigkeit aufnimmt und ab dem 16. Lebensjahr des jüngsten Kindes wurde davon ausgegangen, dass der betreuende Elternteil wieder zu 100% arbeitstätig ist.
Am 1. Januar 2017 ist das neue Kinderunterhaltsrecht in Kraft getreten und bereits in der Botschaft vom 29. November 2013 wurde in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass die 10/16-Regel von der Rechtsprechung zu überdenken sei. Auch in der Lehre wurden die bisherigen Richtlinien als nicht mehr zeitgemäss betrachtet, nehmen in der Realität doch viele Eltern bereits sehr früh wieder eine Erwerbstätigkeit auf und lassen ihre Kinder durch Drittpersonen betreuen.
Seit der Einführung des neuen Unterhaltrechts bestand aus diesem Grund eine erhebliche Unsicherheit bei der Frage, in welchem Umfang der betreuende Elternteil wieder einer auswärtigen Arbeit nachgehen muss. Während einige Kantone starr an der bundesgerichtlichen 10/16-Regel festhielten, wurde in anderen Kantonen (so auch im Kanton Zürich) verlangt, dass der betreuende bereits vor dem 10. Lebensjahr des jüngsten Kindes wieder einer Erwerbstätigkeit nachgeht. Den mit dem jeweiligen Fall betrauten RichterInnen blieb aber ein erhebliches Ermessen, was es für den Einzelfall unmöglich machte, vorauszusagen, wie sich das Gericht entscheiden wird.